Warum Verträge und Weisungen ermüden, langweilen und nerven – und wie man es besser macht, wenn man das will… : Teil 1/3

Verträge und Weisungen – das Fundament eines Unternehmens

Ohne Verträge haben wir keine Kunden, ohne Kunden haben wir keinen Umsatz, keine Mitarbeitenden, keine Lieferanten, keine Infrastruktur. Die grössten Partys, das wohltuendste Schulterklopfen, das breiteste Grinsen, den grössten Adrenalinschub und die dicksten Provisionen gibt es in einem Unternehmen: 1. Wenn der Vertrag unterzeichnet wird und 2. wenn das Projekt abgeschlossen, der Vertrag erfüllt und die Kunden zufrieden gestellt sind.

Ohne Weisungen wissen wir nicht, welche Aufgaben und Kompetenzen wir haben, welches Verhalten von uns erwartet wird und wir wissen auch nicht, was wir von den anderen erwarten können. Ohne Weisungen gäbe es keinen ausreichenden Schutz von Mitarbeitenden und Unternehmen vor strafrechtlicher Verfolgung, Bussen oder existenziellen Reputationsrisiken. Das Weisungswesen eines Unternehmens bildet die Grundlage einer arbeitsteiligen und kollaborativen Zusammenarbeit in einer Organisation – ohne wäre es wohl rasch lahmgelegt oder würde im Chaos versinken. Auch wenn zu viel des Guten ähnliche Effekte haben kann…

Es ist also definitiv nicht so, dass Verträge und Weisungen für ein Unternehmen überflüssig wären. Warum also sind sie für die Beteiligten trotzdem dermassen ermüdend und wie könnte man die Situation verbessern?

Ich habe viel Zeit in die Recherche und Analyse dieser Frage investiert. Eine der (vielen…) Ursachen erscheint mir sehr charakteristisch für Verträge und Weisungen, wird aber meines Wissens erstaunlicherweise nirgendwo thematisiert.

Ermüdung durch Sprachnavigation statt Google Maps

Die «rechtlichen» Themen eines Vertrages sehen immer sehr ähnlich aus. In vielen dieser Themen führen die Juristen «sequentiell» durch die Rechte und Pflichten. Schritt für Schritt wird erläutert, wer was wann wo zu tun oder zu unterlassen hat, innert welcher Fristen und Formen und was wann wie geschieht, wenn es nicht, nicht richtig oder zu spät getan oder nicht getan wird.

Nun stellen Sie sich vor, Sie werden auf Ihrer Autofahrt durch eine Sprachnavigation geleitet, Sie erhalten aber keinerlei Gesamtkontext oder Informationen zu Zwischenstationen. Sie wissen zwar, nach wie vielen Metern Sie rechts oder links abbiegen müssen und wo die Einbahnstrassen sind, aber weder wie lange die Reise dauert, ob sie durch Berge oder über das Meer führt, noch an welchen Städten sie vorbeikommen oder durch welche Länder sie fahren werden.

Eine solche «Sprachnavigation» der Vertragsparteien kann zwar inhaltlich durchaus Sinn machen und liegt angesichts der gesetzlichen Regelungen nahe – aber es ist kognitiv unendlich anstrengend und ermüdend. Wir bilden uns während der gesamten Zeit Vorstellungen über die relevanten Eckwerte und versuchen sie in einen Gesamtkontext zu bringen. Mit jeder neuen Information müssen wir unsere Vorstellungen wieder neu kalkulieren und justieren, was viel Arbeitsspeicher und Energie in Anspruch nimmt, so dass viele Beteiligte sich die Mühe einer sorgfältigen Vertragsprüfung gar nicht mehr machen.

Diese sequentielle Navigation führt ausserdem dazu, dass man aufpassen muss wie ein «Heftlimacher», keine relevanten Informationen zu übersehen und etwas zu unterzeichnen, was man eigentlich gar nicht wollte.

Selbstverständlich kann man dieses Problem mit einer Visualisierung der «Route» und Zusatzinformationen zum Gesamtkontext wie bei Google Maps beheben. Aber man kann es auch bereits mit rein sprachlichen/textlichen Mitteln erheblich reduzieren.

Wie man es rein textlich/sprachlich besser machen kann

Lange bin ich davon ausgegangen, dass es zur Lösung dieses Problems am sinnvollsten wäre, die «Sprachnavigation» unverändert beizubehalten und jeweils mit einer Art thematischen Einleitung oder Randnote in den relevanten Gesamtkontext zu stellen. Bei allen meinen bisherigen Re-Designs bin ich aber zu einem anderen Schluss gekommen: Das weitaus bessere Ergebnis wird dann erreicht, wenn der relevante Gesamtkontext bereits im Text integriert und die sequentielle Navigation des Lesers soweit wie möglich ersetzt.

Hier ein einfaches Beispiel zum Thema Gewährleistung/Mängelansprüche. Auch ohne Visualisierung schon viel besser, oder nicht? (Übrigens: Haben Sie die 3. Nachbesserung im «vorher» Text entdeckt?)

Vertragsklausel vorher
Vertragsklausel nachher

Vorausgesetzt, man will es überhaupt besser machen…

Man könnte also, wenn man wollte… Im Laufe der letzten Monate habe ich zahlreiche Gespräche mit Juristen und Compliance Officer geführt. Während die Compliance Officer alles Interesse daran haben, die Zugänglichkeit und Verständlichkeit ihrer Weisungen zu verbessern, zeigt sich bei den Juristen ein gemischtes Bild.

Die meisten, aber lange nicht alle Juristen haben ein Interesse daran, Klarheit, Verständlichkeit und Transparenz in Vertragsregelungen zu bringen. Die einen lehnen es ab, weil sie ihren Kunden unterstellen, das nicht zu wollen. Andere wollen es nicht, weil ihr Auftrags-/Jobverständnis darauf beruht, die Interessen ihrer Unternehmen oder Kunden auch auf Basis eines ungenügenden oder fehlerhaften Vertragsverständnisses der Kunden, Lieferanten oder Mitarbeitenden durch zu setzen.

Und das ungeachtet der Tatsache, dass heutzutage fast alle Unternehmen in ihrem Leitbild, Code of Conduct oder Marketingclaim auf Werte wie Vertrauen, Kundennähe, Partnerschaft, Einfachheit oder Transparenz setzen… Ernsthaft?

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Gehören Sie zu denjenigen, die zwar wollen aber nicht wissen wo anfangen oder keine Zeit dafür finden? Kontaktieren Sie uns, wir unterstützen Sie gerne dabei, Ihre Verträge und Weisungen mit den Werten und Leitbildern Ihrer Unternehmen und Kunden in Einklang zu bringen!

Die nächsten Teile meines Beitrags werden sich um die Frage drehen, warum Verträge und Weisungen langweilen (Teil 2) oder sogar nerven (Teil 3).