Achtung: GEHEIM!

Widerstand ist zwecklos

Geheimhaltungsvereinbarungen sind die mit Abstand langweiligsten Dokumente, die es im B2B Tagesgeschäft gibt. Wir werden mit solchen Dokumenten überschwemmt, keiner hat wirklich Zeit und Lust sich damit zu beschäftigen. Nicht einmal Juristen. Trotzdem – Widerstand ist zwecklos. Aber lohnt es sich wirklich, Zeit und Energie in die Verbesserung dieser Dokumente zu stecken? Ich denke ja: der Aufwand ist verhältnismässig klein und der Effekt im B2B Umfeld bereits aufgrund der Menge von Dokumenten und Betroffenen wohl deutlich spürbar.

Mehr als 3 Seiten und mehr als 1000 Wörter…

Ich habe kürzlich 20 Standard-Geheimhaltungsvereinbarung verschiedenster Unternehmungen analysiert. 80 % dieser Vereinbarungen haben mehr als 3 Seiten und 75 % der Vereinbarungen kommen auf über 1000 Wörter.

Seien wir mal ehrlich: können wir uns einen Tag oder spätestens eine Woche später noch daran erinnern, was wir unterzeichnet haben? Bleibt wirklich mehr hängen als der blosse Umstand, eine Geheimhaltungsvereinbarung für Informationen über das Vorhaben XY unterschrieben zu haben?

Es ist gut gemeint

Gewisse Informationen müssen geschützt und geheim gehalten werden. Manchmal entspricht die Geheimhaltungspflicht einer gesetzlichen Vorschrift und manchmal ist sie notwendig um die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationen zu schützen. Und sie ist deshalb besonders wichtig, weil eine Offenlegung nicht mehr rückgängig gemacht oder korrigiert werden kann.

Man könnte meinen: Was wichtig ist, braucht ausführliche Regelungen, möglichst viele Wiederholungen und Wiedergabe all dessen, was im Gesetz dazu geregelt ist. Das Thema muss „gewichtig“ daher kommen und den ihm gebührenden Raum einnehmen, damit es auch wirklich verstanden und ernst genommen wird.

Der Ansatz ist zwar gut gemeint und diese Strategie hat vielleicht früher einmal funktioniert. Heute erstarrt aber – zumindest im B2B Umfeld – niemand mehr ehrfürchtig bei der Unterzeichnung einer möglichst langen, kleingedruckten und furchteinflössenden Geheimhaltungsvereinbarung. Was können und sollen wir also anders machen?

Das Ziel ist klar

Beschränken wir doch den Inhalt einer Geheimhaltungsvereinbarung auf das, was für ihren Zweck wirklich relevant ist. Gestalten wir sie doch so, dass ihr Inhalt auf einen Blick erkannt und verstanden wird – und auch in der nächsten Woche noch präsent ist. Und helfen damit uns Juristen und dem Business, die verfügbare Zeit und Ressourcen sinnvoller einzusetzen.

Ein guter Start: Entschlacken

Die kritische Hinterfragung gewisser „Traditionsklauseln“ und die entsprechende Entschlackung ist ein guter Start. Es ist erstaunlich, wie viel Luft und Fettpolster sich im Laufe der Zeit in konventionellen Geheimhaltungsvereinbarungen angesammelt haben:

  • Müssen wir wirklich definieren, dass der Begriff „Informationen“ mündliche, schriftliche und elektronische Übermittlungen beinhaltet? Wird denn „Information“ durch den Übermittlungskanal oder das Medium eingeschränkt?
  • Ist nicht jedem klar, dass „öffentlich bekannte“ Informationen eben nicht „geheim“ sind?
  • Warum müssen wir festhalten, dass und für welche andere Zwecke die Nutzung der Information nicht zulässig ist, wenn die Nutzung ohnehin explizit und ausschliesslich für das genannte Vorhaben erlaubt wird?
  • „Vertraulich sind insbesondere geschäftliche, finanzielle oder technische Erkenntnisse und Ergebnisse, schriftliche Unterlagen, Zeichnungen, Pläne, Spezifikationen, Businesspläne, Methoden, Formeln, Konzepte sowie Materialien und sonstige Gegenstände, sowie sämtliche weiteren Informationen, die direkt oder indirekt das Vorhaben betreffen“. Haben wir jetzt wirklich nichts vergessen?
  • Würde ein Informationsempfänger tatsächlich auf die Idee kommen, dass ihm das geistige Eigentum an den Informationen übertragen wird, wenn wir das nicht explizit ausschliessen?
  • Ist die für uns relevante Sorgfalt tatsächlich diejenige, mit der der Informationsempfänger seine eigenen Betriebsgeheimnisse schützt?
  • Mit Zustimmung des Informanten kann von der Geheimhaltungsverpflichtung abgewichen werden? Versteht sich das nicht von selbst?
  • Was ändert sich an der Rechtslage, wenn wir keine salvatorische Klausel aufnehmen? (Art. 20 Abs. 2 OR)

Das sind nur einige der Beispiele, die ich bei der Entschlackung entdeckt habe. Trotz offensichtlicher Notwendigkeit – der innere Widerstand gegen Streichungen ist gross. Das Ergebnis meiner Bereinigungen ist zwar wesentlich schlanker und übersichtlicher, aber noch weit entfernt vom Anspruch eines relevanten, verständlichen und ansprechenden Dokumentes.

Oder doch die grüne Wiese ?

Manchmal müssen wir uns selbst austricksen. Legen wir dazu doch die Standarddokumente beiseite und konstruieren auf der grünen Wiese: Worum geht es wirklich bei einer Geheimhaltungsvereinbarung, was sind die zwingend notwendigen und sinnvollen Inhalte?

Für mich persönlich hat sich dieser Ansatz bewährt. Die konsequente Anwendung im Beispiel der Geheimhaltungsverein-barung resultierte in einem superschlanken, übersichtlichen und verständlichen Basisdokument. Selbstverständlich kann man darüber diskutieren, ob bzw. welche Regelungen sinnvollerweise noch zusätzlich in den Kreis des kleinsten gemeinsamen Nenners aufgenommen werden sollten. Klar ist auch, dass es in gewissen Fällen mit spezifischen Anforderungen ergänzt werden muss. Aber für mich ist es eine gute Grundlage die ich nur dann aufblasen werde, wenn es gute Gründe dafür gibt.